Offset in Signalen

Greifen wir noch einmal das Beispiel des PT100 im Betrieb an der Stromquelle auf. Wir wollen die Sensorspannung für einen ADC aufbereiten, dessen Referenzspannung auf 3V liegt. Betrachten wir die Verstärkung, die notwendig bzw. möglich ist:

Wenn von diesem Signal zuerst der Offset in Höhe von UOFFSET = 1V subtrahiert wird, dann gilt:

Das rote Signal zeigt jeweils die Eingangsspannung am ADC am Ausgang der OP-Schaltung. Mit dem Signal, das zuerst verschoben und dann verstärkt wird, wird der Eingangsspannungsbereich des ADCs viel besser ausgenutzt. Die Kennlinie ist anschließend proportional, denn sie ist weist keinen Offset mehr auf.

Die Sensitivität einer Kennlinie entspricht der Steigung. Sie gibt an, wie stark sich die Ausgangsgröße ändert, wenn sich die Eingangsgröße ändert. Bei einer hohen Sensitivität ändert sich die Ausgangsgröße stark, auch wenn sich die Eingangsgröße nur minimal ändert. So ein Verhalten brauchen wir hinter einem Sensor. Für die Sensitivität beider Lösungen am ADC-Eingang gilt:

Es hat also Vorteile, die Sensorspannung zunächst zu verschieben und dann erst zu verstärken, wenn diese einen Offset aufweist. Der Vorteil ist umso größer, je größer der Offset bezogen auf den „Nutzanteil“ der Sensorspannung hat. Der Nutzanteil ist der Teil der Spannung, der von der physikalischen Größe beeinflusst wird.

Betrachten wir noch ein Beispiel, an dem die Vorteile des Verschiebens des Sensorsignals deutlich werden:

Um den Spitzenwert der Sensorspannung von 15mV auf die ADC-Referenzspannung von 3V zu verstärken, benötigen wir einen Faktor v = 200. Damit wird die kleinste Sensorspannung von -15mV aber auf -3V verstärkt. Dieses Problem lässt sich nur dadurch beheben, dass das Signal zuerst verschoben und danach erst verstärkt wird. Wenn das Signal zuerst um 15mV nach oben verschoben wird, dann gilt:

Es werden keine einzelnen Spannungswerte verschoben und verstärkt, sondern Bereiche der Spannung. Ein Messsystem weist einen Messbereich in der physikalischen Größe aus. Ein Drucksensor misst z. B. den Druck im Bereich P = [0 .. 20 bar]. Daraus ergibt sich eine Sensorspannung, die innerhalb eines Wertebereichs liegt, die also nicht nur einen festen Zahlenwert annimmt. Der AD-Wandler nimmt an seinem Eingang Spannungen innerhalb des Bereichs [0V … URef] entgegen. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie solche Bereiche umgerechnet werden.

Rechnen mit Wertebereichen

Wird zu einem Wertebereich ein „Verschiebewert“ addiert, wirkt diese Addition auf alle Werte, also auch auf die Grenzen des Bereichs. Es genügt in linearen Systemen, nur die Grenzen der Bereiche zu betrachten. Es gilt:

Wird ein Wertebereich mit einem Faktor multipliziert, werden alle Werte innerhalb des Bereichs mit dem Faktor multipliziert, also auch die Grenzen des Bereichs. Es gilt

Die Kunst liegt darin, den richtigen Verschiebewert und den richtigen Faktor zu finden. Dies zeige ich an folgendem Beispiel:

Ansatz 1

Wir verschieben die Sensorspannung zunächst in den Bereich [0V … 20mV]. Dafür addieren wir die Verschiebespannung UV = 10mV. Es gilt

Als nächstes suchen wir den passenden Verstärkungswert, um die verschobene Sensorspannung auf die Eingangsspannung des ADCs anzupassen. Immer wenn eine der Bereichsgrenzen 0 beträgt ist diese Rechnung einfach. Egal, mit welchem Faktor Sie 0 multiplizieren, das Ergebnis ist immer 0. Also wird die Sensorspannung 0V immer auf die ADC-Spannung 0V abgebildet. Sie müssen nur die andere Grenze betrachten. Mit welchem Faktor müssen die 20mV verstärkt werden, damit 3V herauskommen? Dafür verwenden wir die Formel

Ansatz 2

Wir verschieben die Sensorspannung in einer neuen Aufgabe in den Bereich [-20mV … 0V]. Dafür addieren wir die Verschiebespannung UV = -10mV. Es gilt

Als nächstes suchen wir den passenden Verstärkungswert, um die verschobene Sensorspannung auf die Eingangsspannung des ADCs anzupassen. Mit welchem Faktor müssen die -20mV verstärkt werden, damit 3V herauskommen? Dafür verwenden wir die Formel

Wie sie sehen, können wir das Problem nicht mit einer allgemeinen Formel erschlagen. Sie müssen nachdenken, welche Grenze der Sensorspannung auf welche Grenze der ADC-Spannung abgebildet werden soll. In den folgenden Unterkapiteln werden drei Schaltungen zur Lösung dieses Problems vorgestellt.

Offset und Übertragungsfunktion

Enthält ein Funktionsblock einen Offset in seiner internen Signalverarbeitung, macht die Übertragungsfunktion Probleme.

Eine Übertragungsfunktion sollte immer unabhängig von der Eingangsgröße sein. Ist die Übertragungsfunktion z. B. konstant über der Eingangsgröße, dann ist sie offenbar unabhängig von ihr. Weil die Übertragungsfunktion H der Steigung der Kennlinie einer Geraden m entspricht, führt eine konstante Übertragungsfunktion zu einer konstanten Steigung der Kennlinie. Bei jeder linearen Funktion ist die Steigung m konstant. Wir betrachten in diesem Tutorial zur Vereinfachung nur lineare Übertragungsfunktionen.

Was passiert bei Funktionsblöcken mit linearem Verhalten der Form y = m ∙ x + b? Sie weisen einen Offset der Größe b auf. Die Kennlinie ist um b nach oben verschoben. Damit ist das Verhalten linear, aber nicht proportional. Als Beispiel für einen nicht proportionalen Funktionsblock betrachten wir den Temperatursensor “PT100”, der in diesem Tutorial öfters eingesetzt wird. Sein Verhalten wird beschrieben als:

Die Übertragungsfunktion des PT100 besteht aber aus zwei Termen. Käme hier nur der zweite Term raus, wäre die Übertragungsfunktion hilfreich, denn der zweite Term ist die Steigung der Kennlinie. Der erste Term aus 100Ω / T stört gewaltig. Die Steigung entspricht hier offensichtlich nicht der kompletten Übertragungsfunktion, sondern nur einem Teil davon.

Lineares Verhalten erlaubt allgemein nicht mehr ohne Weiteres, die Übertragungsfunktion H = y / x aufzustellen. H ist dann keine Konstante mehr. Das geht zwar mathematisch, es hilft aber nicht. Der Sinn der Übertragungsfunktion besteht darin, dass wir die Übertragungsfunktionen hintereinander geschaltete Funktionsblöcke zusammenfassen können. Das gilt aber nur für proportionale Funktionen ohne Verschiebung b.

Bei einem linearen System ist es hilfreich, zunächst den Parameter b zu subtrahieren. Dadurch wird aus der linearen Funktion eine proportionale Funktion. Es gilt:

Wenn wir es schaffen, vom Wert des PT100 den Wert 100Ω zu subtrahieren, dann erhalten wir eine Widerstandsänderung, die proportional zur Temperatur ist. Dann können wir anschließend das Signal normal verstärken. In diesem Teil des Tutorials geht es genau darum: Wie können wir ein Signal zuerst verschieben (addieren oder subtrahieren) und dann verstärken (multiplizieren)?

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