Elektromotor und Generator

Ein Elektromotor besteht aus Magneten, die sich gegenseitig anziehen. Der in meinen Augen einfachste Elektromotor wird als permanenterregte Synchronmaschine (PMSM) bezeichnet. Sie hat folgenden prinzipiellen Aufbau:

In der Mitte ist der drehbare Rotor (graue Kreisscheibe) dargestellt. Auf den Rotor ist ein Stabmagnet aufgeklebt. Er weist die magnetischen Pole Nordpol (N) und Südpol (S) auf. Außen ist der unbewegliche Stator gezeichnet (hellblau). Im Stator sind sechs Elektromagneten aus Spulen verbaut (dunkelblau). Elektromagneten können ein Magnetfeld mit einstellbarer Intensität und einstellbarer Polarität (Nordpol oder Südpol) erzeugen. Dafür wird in jede Spule ein Strom veränderlicher Amplitude mit veränderlicher Stromrichtung eingeprägt.

Die Elektromagnete sind in einem Winkel von jeweils 60° zueinander angeordnet. Die Winkel sind fest auf den Stator bezogen, deshalb bezeichnen wir ihn als Statorwinkel Ω. Auf 3 Uhr (nach rechts) wird der Winkel Ω = 0° angesetzt. Das Winkel-Koordinatensystem ist damit das gleiche wie beim komplexen Wechselstrom. Der Rotor ist in diesem Beispiel mit seinem Südpol auf ΩRotor = 30° ausgerichtet. Der Rotor zeigt im Stator-Winkelsystem auf den Statorwinkel Ω = 30°. Der Südpol des Rotors zeigt immer an, in welche Richtung der Rotor ausgerichtet ist (nicht der Nordpol).

Die Elektromagnete sollen später den Stabmagneten anziehen bzw. abstoßen. Dafür müssen nach Innen in Richtung des Stabmagneten entgegengesetzte magnetische Pole vorliegen. Das erreichen wir mit folgender elektrischer Verschaltung, die hier nur für ein Spulenpaar angegeben ist:

Diese Verschaltung gegenüberliegender Spulen wird für alle drei Spulenpaare realisiert. Der Strom fließt so durch die Spulen, dass der eine nach Innen einen magnetischen Nordpol und der andere nach Innen einen magnetischen Südpol erzeugt, wenn durch beide der gleiche Strom fließt. Die Polarität der Elektromagnete ist für positiven Strom I1 eingezeichnet.

Richtung und Intensität des Stator-Magnetfelds

Wir wollen, dass sich der Rotor mit dem aufgeklebten Stabmagneten aufgrund der magnetischen Polarität der Elektromagnete gegen den Uhrzeigersinn dreht. Dafür sind folgende Polaritäten notwendig:

Damit sich der Rotor gegen den Uhrzeigersinn dreht, muss der Elektromagnet bei Ω = 0° einen magnetischen Südpolpol erzeugen. Damit stößt er den Südpol des Stabmagneten ab. Auf der Gegenseite muss bei Ω = 180° der Elektromagnet einen Nordpol erzeugen, der den Nordpol des Stabmagneten abstößt.

Der Elektromagnet bei Ω = 60° muss einen magnetischen Nordpol bereitstellen, damit der magnetische Südpol des Stabmagneten angezogen wird. Der Elektromagnet bei Ω = 240° muss einen magnetischen Südpol bereitstellen. Sie sehen, dass die notwendige magnetische Polarität gegenüberliegender Elektromagnete immer gegensätzlich sein muss. Die Polarität der Elektromagneten bei Ω = 300° und bei Ω = 120° spielt bei dieser Rotorlage keine Rolle.

Wenn sich der Rotor weiterdreht, dann müssen sich die magnetischen Polaritäten ändern.

Links in der Abbildung sehen Sie die „alten“ Polaritäten bei Rotorwinkel ΩRotor = 60°, die bei ΩRotor = 30° noch hilfreich war. Diese Polarität behindert eine weitere Rotorbewegung, denn jetzt wird der Rotor von den Elektromagneten bei Ω = 60° und Ω = 240° festgehalten. Die passenden „neuen“ Polaritäten für eine weitere Drehbewegung sehen Sie rechts in der Abbildung.

Die beiden Elektromagnete auf Ω = 60° und Ω = 240° sollten ausgeschaltet sein, wenn der Stabmagnet des Rotors unmittelbar an Ihnen vorbeizieht.

Die Magnetfelder der Elektromagnete des Stators überlagern sich. Sie werden vektoriell addiert, um diese Überlagerung mathematisch zu beschreiben. Jeder Elektromagnet weist eine Intensität und eine Polarität (Richtung) auf. In der rechten Abbildung sind links zwei Nordpole und rechts zwei Südpole zu sehen. Insgesamt zeigt der Nordpol das Statorfelds in Richtung Ω = 150°. Der Stator erzeugt ein Gesamt-Magnetfeld, das auf den Rotor wirkt.

Sinusförmige Stromverläufe

Während der Rotation kommt der Stabmagnet den Elektromagneten näher und er entfernt sich wieder. Der Abstand der Magnete voneinander ist nicht konstant. Sie kennen das aus dem Alltag: Je näher ein Stabmagnet an einen anderen Stabmagneten heranbewegt wird, desto intensiver wird die Magnetkraft. Die Magnetkraft ändert sich mit dem Abstand, obwohl sie dessen Ursache nicht ändern. Bei einem konstanten magnetischen Fluss ist die Magnetkraft stärker, je näher der Stabmagnet einem Elektromagneten kommt. Damit ist die Kraft bei einem konstanten magnetischen Fluss nicht konstant über einer Rotorumdrehung. Der Motor „ruckelt“, er dreht mal schneller und mal langsamer. Damit der Motor gleichmäßig dreht, muss der Strom reduziert werden, wenn der Stabmagnet in die Nähe des Elektromagneten gelangt.

Für eine gleichmäßige Bewegung des Rotors über der Zeit werden sinusförmige magnetische Flüsse und damit sinusförmige elektrische Ströme benötigt (ohne Herleitung). Die geforderten Werte von Intensität und Polarität des Stroms sind von der Rotorposition abhängig. Um Intensität und Polarität des Stroms für jede Rotorposition angeben zu können, werden die Elektromagnete nummeriert. Den Rotor legen wir zu Beginn seiner Bewegung so, dass sein Südpol bei Ω = 0° liegt. Dies stellt per Definition die Rotorposition ΩRotor = 0° dar.

Wir orientieren uns ab jetzt bei allen Richtungsangaben immer am magnetischen Südpol. Diese Festlegung ist willkürlich, aber für irgendwas müssen wir uns entscheiden. Eine Richtung von 60° bedeutet also, dass der Südpol in Richtung 60° zeigt.

Betrachten wir zunächst nur den Strom an Elektromagnet 1. Er wird über dem Winkel Ω aufgetragen. Es ergibt sich folgender Verlauf für Elektromagnet 1 über dem Winkel:

Der Rotorwinkel Ω ist auf der X-Achse aufgetragen. Der notwendige Strom i1(t) ist auf der linken Y-Achse aufgetragen. Ich möchte die magnetischen Flüsse der Spulen 1 und 4 im gleichen Diagramm auftragen, deshalb habe ich rechts eine zweite Y-Achse platziert. Es geht hier nur um die prinzipiellen Verläufe der Kurven, deshalb achten Sie bitte nicht auf die Spitzenwerte. Diese zu berechnen lernen Sie später.

Beachten Sie: Hier ist weder die Zeit noch der Phasenwinkel φ auf der X-Achse aufgetragen. Es ist der Rotorwinkel Ω. Sie sehen hier also den Strom, der bei einer bestimmten Rotorausrichtung fließen muss. Wenn sich der Rotor schnell dreht, dann vergeht wenig Zeit für eine Umdrehung. Dann muss sich der Strom in kurzer Zeit in der dargestellten Weise ändern. Am Ende kommt man doch auf eine Zeitdarstellung auf der X-Achse, dazu aber später mehr.

Die Position der Spulen auf dem Stator ist passend zu den Winkeln im Zeitdiagramm hinzugefügt. Der rote sinusförmige Verlauf gibt die Intensität des Stroms durch beide Spulen an. Die Polarität des resultierenden Magnetfelds aus Spule 1 (hellblau) wechselt von Südpol (S) in der oberen Hälfte zum Nordpol (N) in der unteren Hälfte. Die Magnetfeld-Polarität wird rechts neben dem Zeitverlauf durch den senkrechten rot-grünen Block angedeutet. Das Feld von Spule 4 (dunkelblau) ist genau anders herum gepolt. Der Strom i1(t) ist proportional zum magnetischen Fluss durch Spule 1. Er ist umgekehrt proportional zum Fluss durch Spule 4.

Beim den Rotorwinkeln ΩRotor = 0° und ΩRotor = 180° ist der Strom aus, damit der Rotor nicht gebremst wird. Betrachten wir die Magnetfelder bei ΩRotor = 90°. Für einen gleichmäßigen Kraftverlauf über dem Rotorwinkel sollte der Strom an Spule 1 einen maximalen Südpol erzeugen, wenn der Südpol des Stabmagneten auf 90° liegt. Damit stößt Spule 1 den Rotor ab. Spule 4 erzeugt mit dem gleichen Strom bei ΩRotor = 90° einen maximal großen Nordpol und zieht den Südpol des Rotors an. In der folgenden Abbildung sehen Sie die Magnetpolaritäten der beiden Spulen bei ΩRotor = 90°:

Sie können auch andere Rotorwinkel ausprobieren. Nehmen Sie ein Blatt Papier und skizzieren Sie bei unterschiedlichen Rotorwinkeln die magnetischen Polaritäten von Spule 1 und 4 bei dem gegebenen Stromverlauf. Sie werden feststellen, dass der Rotor immer gedreht wird.

Das Spulenpaar 3 und 6 ist auf dem Stator um Ω = 120° in Drehrichtung hinter dem Spulenpaar 1 und 4 angeordnet. Diese Spulen brauchen den gleichen Stromverlauf, nur bei einem anderen Rotorwinkel. Der Stromverlauf muss um 120° zeitlich (nach rechts) verschoben werden.

Beim Spulenpaar 5 und 2 brauchen wir eine Verschiebung um Ω = 240°. Alle Spulenpaare machen das gleich, nur bei unterschiedlichen Rotorwinkeln. Angenommen der Rotor dreht sich mit konstanter Geschwindigkeit gegen den Uhrzeigersinn. Dann ist die Winkelposition proportional zur Zeit. Wir können dann – wie in den Grundlagen der Elektrotechnik – Winkel und Zeit ineinander umrechnen.

Ein positiver Strom durch Spule 1 erzeugt innen an Spule 1 (Richtung Rotor) einen magnetischen Nordpol. Der gleiche positive Strom durch Spule 4 erzeugt innen an Spule 4 einen magnetischen Südpol. Das gilt für alle Spulenpaare.

Zeit- und Winkelbetrachtung

Das Spulenpaar 3 und 6 bekommt einen um Ω = 120° zeitlich verzögerten Strom. Das liegt daran, dass Spule 3 um 120° in Drehrichtung verschoben am Stator angeordnet ist, und der Rotor dort etwas später vorbeikommt als an Spule 1. Die „Verspätung“ beträgt eine Drittel Umdrehung oder eine Drittel Periodendauer. Der Stromverlauf hängt davon ab, wann der Stabmagnet bei einer Spule vorbeikommt. Durch die Spulen 3 und 6 fließt der Strom i2. Durch die Spulen 5 und 2 fließt der Strom i3.

Links in der oberen Grafik sehen Sie die Verschaltung der Stromquellen mit den Spulen. Rechts sehen Sie die Richtung, in der die Magnetfelder am Stator wirken, die aus den Strömen entstehen. Dies führt zu folgender Anforderung an den Stromverlauf:

In der oberen Abbildung werden zwei X-Achsen verwendet. Die eine gibt den Statorwinkel Ω über eine vollständige Rotorumdrehung an. An dieser Achse sind auch die Spulenpositionen eingezeichnet. Darunter finden Sie die Achse des elektrischen Phasenwinkels aus der Elektrotechnik. Die Werte der Achsen sind gleich, denn eine Rotorumdrehung entspricht einer elektrischen Periode des Sinus-Signals des Stroms. Aus der unteren Achse können Sie die elektrische Phasendrehung der Ströme ablesen:

Die elektrischen Winkel φ sind genau anders herum gedreht als die Rotorwinkel Ω. Die Position von Spule 3 liegt bei Ω = 120°. Der Strom an der Spule 2 liegt zeitlich um 120° später, er weist also eine Phasenverschiebung von φ2 = -120° auf. Bitte beachten Sie diesen wichtigen Unterschied zwischen beiden Winkelsystemen: Dem Stator-bezogenen geometrischen Winkel Ω und dem Winkel der Zeitverschiebung der Stromverläufe φ.

Betrachten wir als nächstes den Verlauf aller 6 magnetischen Flüsse während einer vollständigen Drehung des Rotors von 0° bis 360°:

Die magnetischen Flüsse der gegenüberliegenden Spulen sind jeweils entgegengesetzt gepolt, aber vom Betrag her gleich groß. Spule 3 braucht den gleichen Fluss wie Spule 1, nur 120° „später“. Deshalb sind die Sinus-Verläufe gleich, aber zueinander verschoben. Betrachten wir die Elektromagnete beim Winkel Ω = 0°:

Bei Rotorwinkel ΩRotor = 0° (auf der Y-Achse im linken Bild) bilden Spulen 5 und 6 gleich starke magnetische Südpole. Spulen 2 und 3 bilden gleich starke magnetische Nordpole. Die Spulen 1 und 4 sind stromlos und damit wirkungslos. Dies geht aus den Amplituden der Verläufe in der oberen Abbildung bei Ω = 0° hervor. Alle Magnetfelder überlagern sich, sie werden zu einem Gesamtfeld addiert. Das Gesamtfeld aller Elektromagnete des Stators weist damit von unten (S) nach oben (N). Dies ist als Pfeil in der rechten Abbildung als „Statorfeld“ gekennzeichnet.

Das Statormagnetfeld läuft dem Rotormagnetfeld immer um 90° in Drehrichtung hinterher. Auch wenn sich der Rotor weiterdreht, liegt das Statormagnetfeld bei diesen Strömen immer um 90° hinter dem Rotorfeld. Damit zieht und schiebt der Stator den Rotor in die Kreisbewegung. Für das Statormagnetfeld gilt bei der Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn (und nur dann):

Betrachten wir die Ströme mathematisch. Dafür nehme ich vorweg, dass die meisten elektrischen Maschinen bei f = 50Hz betrieben werden. Der Sinus-Verlauf des Stroms weist die Frequenz f = 50Hz auf. Eine Rotor-Umdrehung dauert dann die Periodendauer der Frequenz T = 1/f = 20ms. Es gilt:

Wie beim Wechselstrom in den Grundlagen der Elektrotechnik sind zwei X-Achsen gezeichnet: Eine für den Phasenwinkel und eine für die Zeit. Eine Rotorumdrehung und eine elektrische Periode des Sinus dauern T = 20ms. Die Spitzenwerte der Ströme sind gleich groß. Die Phasen sind um jeweils 120° oder 2π/3 gedreht. Drei Ströme dieser Art werden als Drehstrom bezeichnet.

Drehrichtung

Wir lassen den Motor in Gedanken anders herum drehen. Was ändert sich? Der Rotor startet bei Spule 1 und passiert dann Spule 6, 5, 4, usw. rückwärts. Dafür müssen wir nur zwei Kabel vertauschen. Der Strom i2 fließt jetzt durch das Spule 5, denn der Rotor kommt hier zuerst vorbei. Danach erst kommt er an der Spule 3 vorbei, an der i3 angeschlossen wird. Das können Sie wieder mit Stift und Papier selbst nachvollziehen.

Motor- und Generatorbetrieb

Im Motorbetrieb wird Strom von außen in die Spulen eingeprägt. Dabei wird elektrische Energie aus einer elektrischen Quelle in mechanische Energie in Form einer Drehbewegung des Rotors am Systemausgang umgewandelt. Dafür brauchen wir Drehstrom am elektrischen Eingang des Systems.

Der Elektromotor funktioniert bidirektional. Wir können Ausgang und Eingang vertauschen. Wenn die Achse gedreht wird, wird ein Drehstrom anders herum aus dem Motor in die Spulen „gedrückt“, so dass dieser für andere Aufgaben genutzt werden kann. Es wird mechanische Energie in Form einer Drehbewegung in das System hineingesteckt. Elektrische Energie steht am Ausgang des Systems an den Spulen bereit. Der Motor arbeitet jetzt als Generator.

Elektrische Maschinen brauchen Drehstrom, um den Rotor zu drehen. Drehende elektrische Maschinen erzeugen anders herum betrieben Drehstrom, wenn der Rotor von einem Kraftwerk gedreht wird. Dies ist einer der Gründe, warum Drehstrom in der Antriebstechnik und in der Energieerzeugung eine zentrale Rolle spielt.

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