Drehmoment

Wir sind fast am Ziel, um eine Gleichung für das Drehmoment M am Rotor zu beschreiben. Ein Drehmoment entsteht, wenn der Statorstrom zu einem Magnetfeld um einen Winkel γ versetzt ist. Dann entstehen magnetische Pole am Stator, die den Rotor anziehen oder abstoßen. Der Winkel zwischen Statorstrom (Statormagnetfeld) und Rotormagnetfeld wird in d/q-Koordinaten ausgedrückt. Optimal ist nach bisheriger Überlegung ein Winkel von γ = 90°. Dann liegen das Rotorfeld in d-Richtung und der Statorstrom (und damit das Stator-Feld) in q-Richtung vor. Dies erzeugt ein Moment. Allgemein gilt für die Drehrichtung gegen den Uhrzeigersinn:

Ein q-Strom erzeugt mit einem d-Feld ein Moment gegen den Uhrzeigersinn. Das kennen Sie bereits. Ein d-Strom erzeugt mit einem Feld in Richtung q auch ein Drehmoment, aber in die falsche Richtung. Deshalb betrachten wir das Moment aus negativem d-Strom und positivem q-Feld. Beide Effekte werden addiert (Überlagerung). Setzen wir als Nächstes Formeln für die verketteten Flüsse ein:

Das Moment ist größer, wenn mehr Magnetfeld-Strom-Paare gleichzeitig am Rotor ziehen. Es ist deshalb proportional zur Polpaarzahl p und zur Spulenpaarzahl m. Es gilt (ohne Herleitung):

Den ersten Term der Drehmomentgleichung haben wir so erwartet. Er stellt das „Synchronmoment“ dar. Der zweite Summand ist seltsam. Die Differenz der Induktivitäten in d- und q-Richtung multipliziert mit dem Produkt der Ströme in d- und q-Richtung ergibt ebenfalls ein Moment. Dieses Moment wird „Reluktanzmoment“ genannt.

Synchronmoment

Das Synchronmoment beschreibt die Anziehung des Rotor-Magneten durch das drehende Stator-Magnetfeld. Bisher haben wir immer nur diese Kraft betrachtet. Wir untersuchen zunächst, wie sich diese Kraft ändert, wenn das Statormagnetfeld in unterschiedliche Richtungen zeigt. Der Rotor ist dabei immer mit seinem Nordpol in Richtung d ausgerichtet. Wir variieren den Winkel γ zwischen Statorfeld und Rotorfeld:

In der linken Abbildung zeigt das Statormagnetfeld in Richtung γ = 45°. Der Nordpol des Rotors wird vom Südpol des Stators angezogen. Das Drehmoment ist gegen den Uhrzeigersinn gerichtet. Diese Richtung definieren wir willkürlich als positiv. Auch bei γ = 135° im rechten Bild ist das Moment positiv, denn der Südpol des Rotors wird vom Südpol des Statorfelds gegen den Uhrzeigersinn weggedrückt.

Bei γ = 270° im linken Bild dreht der Rotor anders herum, also im Uhrzeigersinn. Bei γ = 0° (rechtes Bild) und γ = 180° dreht er sich gar nicht. Die Intensität des Moments hängt vom Abstand des Statorfelds von beiden Polen des Rotormagneten ab. Ihr Betrag ist bei γ = 90° und γ = 270° maximal, weil dort das Statorfeld auf beide Magnetpolen des Rotors wirkt. Tragen wir Intensität und Richtung des Synchronmoments über dem Winkel γ auf, ergibt sich folgendes Bild:

Wenn wir nur das Synchronmoment betrachten ist der Ansteuerwinkel γ = 90° für unsere Drehrichtung optimal. Dafür muss der Strom zu 100% in q-Richtung fließen.

Reluktanzmoment

Wir modifizieren für die anschauliche Erklärung des Reluktanzmoments den Rotor. Zuerst betrachten wir einen Rotor, der nur aus einer Eisenscheibe ohne Permanentmagneten darauf besteht. Egal wie der Statorstrom fließt, der Rotor dreht sich nicht. Er liegt in einem sich ständig ändernden Magnetfeld, das aber einfach durch ihn hindurchgeht, ohne eine Bewegung zu verursachen.

Wir betrachten jetzt einen Rotor aus Plastik, in dem an Stelle des Permanentmagneten ein längliches Stück Eisen eingebracht ist. Das Plastik leitet das Magnetfeld nicht. Das Eisen schon. Das Eisen richtet sich im Magnetfeld aus, es wird vom Stator-Magnetfeld angezogen. Der Rotor dreht sich mit dem Statorfeld, auch wenn auf ihm kein Permanentmagnet aufgeklebt ist. Es wirkt auch dann ein Moment – das Reluktanzmoment.

Dafür ist notwendig, dass auf dem Rotor unterschiedlich stark magnetisch leitende Materialien aufgebracht sind. In einer Richtung brauchen wir gute magnetische Leitfähigkeit, und in der anderen Richtung weniger gute magnetische Leitfähigkeit. Eisen leitet das Magnetfeld gut. Plastik, Luft und Permanentmagneten leiten es schlecht.

Ein weiteres Beispiel ist ein mittig drehbar gelagerter Nagel, der im Statormagnetfeld liegt. Er dreht sich, sobald das Statorfeld sich dreht. Ein Nagel wird sowohl vom magnetischen Nordpol als auch vom Südpol angezogen. Das unterscheidet ihn vom Permanentmagneten. Unser Rotor leitet das Magnetfeld in Richtung q besonders gut. Deshalb zeigt für die Veranschaulichung die Spitze des Nagels auch in Richtung q.

Betrachten wir die obere Abbildung. In grau ist der Nagel eingezeichnet. Er wird festgehalten und das Statorfeld wird um ihn herumgedreht. Die Richtung des Statorfelds ist als roter Pfeil eingezeichnet. Der Winkel γ liegt zwischen Nagel und Statorfeld. Das Statorfeld ist unten als Beispiel bei γ = 45° eingezeichnet. Betrachten wir das Drehmoment M, das auf den Nagel wirkt. Seine Spitze wird vom Statormagnetfeld stärker angezogen als sein Kopf. Die Spitze des Nagels wird im Uhrzeigersinn in Richtung des roten Pfeils bewegt.

In der unteren Abbildung zeigt das Statormagnetfeld in Richtung γ = 135°. Die Nadel wird in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Die Richtung der Bewegung der Nadel ist abhängig von der Richtung des Statorfelds.

Betrachten wir als nächstes das Problem allgemeiner. Die Bewegungsrichtung wird für alle Bereiche des Statorfelds relativ zur Nagelposition als Funktion des Winkels γ angegeben. Dafür drehen wir die Richtung des roten Statorfeldzeigers langsam gegen den Uhrzeigersinn und überlegen, in welche Richtung der Nagel vom Statorfeld angezogen wird. Ein positives Moment bedeutet, dass der Nagel gegen den Uhrzeigersinn gedreht wird. Ein negatives Moment bedeutet, dass der Nagel im Uhrzeigersinn bewegt wird.

Die Intensität des Moments ist abhängig vom Abstand zwischen dem wirksamen Ende des Nagels zum Magnetfeld. Das Reluktanzmoment wirkt in beide Drehrichtungen. Es beschleunigt den Rotor und bremst ihn. Es wiederholt sich bei γ = 180. Mit dem Winkel γ können wir einstellen, ob es positiv oder negativ wirken soll.

Das Reluktanzmoment wirkt nur dann, wenn es sowohl d-Strom als auch q-Strom gibt. Schneidet der Winkel γ die d- oder q-Achse, ist das Reluktanzmoment 0. Betrachten wir nochmal die Momentengleichung:

Das Produkt aus d- und q-Strom ändert sich sinusförmig mit doppelter Frequenz mit γ. Das deckt sich mit der Grafik des Verlaufs des Reluktanzmoments. Betrachten wir jetzt wieder die elektrische Maschine mit Permanentmagneten auf dem Rotor:

Aufgrund des geringen Materialkoeffizienten µr ist der Rotor dort, wo sich der Permanentmagnet befindet, magnetisch schlecht leitfähig. Er verhält sich in Summe wie ein Nagel im drehenden Magnetfeld mit Ausrichtung in q-Richtung + wie ein Permanentmagnet im drehenden Magnetfeld mit Ausrichtung in d-Richtung (N).

Die Richtungsabhängigkeit in der magnetischen Leitfähigkeit im Rotor wird in der Momentengleichung durch den Term Ld – Lq beschrieben. Der Term beschreibt, wie stark die Nagel-Wirkung ausgeprägt ist.

Um mehr Moment pro Strom aus der Maschine herauszuholen nutzen wir das Reluktanzmoment. Dafür konstruieren wir Rotoren so, dass die Induktivitäten möglichst stark richtungsabhängig sind. Dann wird der Term Ld – Lq groß.

Gesamtmoment

Das Gesamtmoment des Rotors setzt sich also aus zwei Bestandteilen zusammen. Das Synchronmoment entsteht dadurch, dass der magnetische Nordpol des Stators den Südpol des Rotors anzieht. Es ist bei γ = 90° maximal groß. Deshalb prägen wir q-Strom in den Stator ein. Das Reluktanzmoment entsteht, wenn sich die magnetische Leitfähigkeit des Rotors in d-Richtung und das in q-Richtung unterscheiden. Es ist bei Ld < Lq maximal bei γ = 135° und bei γ = 315° (180° weiter im Kreis).

Der optimale Statorstrom zeigt also nicht in Richtung γ = 90°. Der optimale Winkel liegt – je nach Maschinenparametern – im Bereich γ = [90° … 180°]. Im folgenden Beispiel ist der Spitzenwert des Reluktanzmoments halb so groß wie der des Synchronmoments.

Im rechten Bild ist in Grün das Gesamtmoment als Summe des Synchronmomants (blau) und des Reluktanzmoments (rot) eingezeichnet. Der optimale Ansteuerwinkel liegt etwa bei γ = 120°. Dort ist das Gesamtmoment maximal groß und positiv. Was bedeutet das für die Ansteuerung des Motors? Links sehen Sie die Aufteilung des Statorstroms in d- und q-Anteile für γ = 120°.

Der Term Ld – Lq ist für Ld < Lq negativ. Damit das Reluktanzmoment positiv wirkt, muss das Produkt der Ströme negativ sein. Der q-Strom für das Synchronmoment ist positiv. Damit brauchen wir einen zusätzlichen negativen d-Strom für das Reluktianzmoment. Die Drehung des Statorstromzeigers von 90° auf 120° im Beispiel oben benötigt ebenfalls negativen d-Strom. Formel und Zeigerdiagramm stimmen also überein.

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