Schaltungen mit Spulen

Die Spule ist ein zentrales Bauelement in der Leistungselektronik. Es macht Sinn, ihr Verhalten zu verstehen, bevor wir sie in fast jeder Schaltung einsetzen. Zunächst betrachten wir dafür das Phänomen der Trägheit:

Trägheit

Trägheit beschreibt die Eigenschaft bewegter Körper, sich weiter zu bewegen, obwohl sie keinen Impuls bekommen. Was bedeutet das? Wenn Sie einen Tennisball mit einem Schläger schlagen, dann bewegt sich dieser mit hoher Geschwindigkeit. Der Antrieb des Balls ist der Schlag zu Beginn der Bewegung. Aber warum bewegt sich der Ball direkt nach dem Schlag weiter, obwohl ihn niemand mehr schlägt?

Der Ball ist träge. Sobald er eine Geschwindigkeit aufweist und keine Kräfte auf ihn einwirken, behält er seine Geschwindigkeit bei. Wir betrachten Menschen als trägt, wenn sie inaktiv auf der Couch liegen bleiben und den Zustand der Faulheit beibehalten. Trägheit hat viel mit „den aktuellen Zustand beibehalten“ zu tun. Bei bewegten Körpern bleibt die Geschwindigkeit unverändert.

In der Realität wird jede Bewegung langsamer. Das liegt daran, dass immer Reibung im Spiel ist, die die Bewegung bremst. Der Tennisball wird langsamer, weil die Luft an ihm reibt. Außerdem zieht ihn die Schwerkraft zur Erde. Das sind beides äußere Kräfte. Würde der Tennisball im Weltraum ohne Schwerkraft und ohne Luftreibung fliegen, würde seine Geschwindigkeit tatsächlich konstant bleiben – aufgrund seiner Trägheit.

Ein System mit großer Trägheit hat die Eigenschaft, dass seine Geschwindigkeit nur schwer verändert werden kann. Es dauert lange, es überhaupt zu bewegen, und dann ist es auch schwer es zu bremsen. Allgemein sind schwere Gegenstände träger als leichte. Versuchen Sie mal einen LKW zu beschleunigen oder zu bremsen. Und jetzt vergleichen sie dies mit einem VW-Polo. Die Trägheit spielt bei der Spule – bzw. der Analogie im Wassermodell – eine wichtige Rolle.

Spule im Wassermodell

Eine Spule entspricht im Wassermodell einem Wasserrad mit großer Masse und großer Trägheit. Trägheit bei einer Drehbewegung bezeichnen wir auch als „Schwung“. Das Wasserrad verhält sich wie ein Schwungrad. Es ist also viel Kraft notwendig, um es in Bewegung zu versetzen. Und wenn es sich einmal dreht, dann dreht sich mit konstanter Geschwindigkeit weiter, wenn es nicht weiter angetrieben oder gebremst wird.

Das Schwungrad ist ein Energiespeicher. Es muss Energie hineingesteckt werden, damit es sich dreht. Sobald es sich dreht, ist die Energie im Schwungrad in Form von kinetischer Energie gespeichert.

Um das Wasserrad in Bewegung zu setzen, lassen wir Wasser von einem hoch gelegenen Becken über das Wasserrad in ein tiefergelegenes Becken fließen. In diesem Gedankenmodell gibt es keine Begrenzung der Wasserfließgeschwindigkeit durch ein Rohr. Die Fließgeschwindigkeit des Wassers wird nur durch das Wasserrad vorgegeben. Das Wasser kann nicht am Schwungrad vorbeifließen, es kann nur das Rad drehen. Das Wasser fließt immer so schnell, wie das Rad sich dreht.

Anfangs dreht sich das Rad nicht. Aufgrund der Steigung des Wassers wirkt ein Druck (Kraft) auf das Rad und es beginnt sich langsam zu drehen. Sobald sich das Rad dreht, fließt Wasser in der Geschwindigkeit, die das Rad vorgibt. Das Wasser kann ja nicht am Schwungrad vorbei fließen. Das Rad dreht sich über der Zeit immer schneller. Die Drehgeschwindigkeit des Wasserrads ist proportional zur Fließgeschwindigkeit des Wassers am Wasserrad. Auf diese Weise „laden“ wir das Rad mit Energie auf.

Die Steigung des Wassers erzeugt den Druck auf das Rad. Je höher die Steigung ist, desto stärker beschleunigt das Rad. Mit größerer Beschleunigung steigt die Geschwindigkeit schneller an. Das können Sie mit dem Unterschied in der Beschleunigung zwischen einem Polo und einem Porsche vergleichen.

Wir setzen das Wasserrad jetzt in einem Wasserkreislauf ein. Eine Pumpe pumpt Wasser aus eine unteren Anschluss nach oben. Dafür wird Energie von außen in das System hineingegeben. Das Wasser fließt eine Rampe herunter und kommt dann zum Wasserrad. Das Wasserrad beginnt sich zu drehen, sobald der Wasserdruck des hochgepumpten Wassers am Rad ankommt.

Das Wasser fließt eine Steigung hinab. Dabei wird potentielle Energie in kinetische Energie umgewandelt. Die potentielle Energie aus der Höhendifferenz wird im Schwungrad gespeichert. Da ständig weitere Energie in das System eingekoppelt wird, steigt die Energie im Schwungrad immer weiter an. Das Schwungrad dreht sich deshalb immer schneller. In einem realen System erreicht es eine maximale Geschwindigkeit. In einem idealen System steigt die Geschwindigkeit unbegrenzt an. Das Wasser fließt zunächst nur im oberen ersten Teil des Systems.

Der Aufbau wird im nächsten Bild erweitert. Er ist über verstellbare Klappen (dunkelgrau) in zwei Bereiche aufgeteilt. Sobald das Schwungrad eine bestimmte Drehgeschwindigkeit erreicht hat, schalten wir die Klappen um und geben den bisher trockenen zweiten Teil des Aufbaus für das Wasser frei (siehe Abbildung unten). Das Schwungrad ist jetzt getrennt von der Pumpe. Aufgrund seiner Trägheit bzw. seines Schwungs dreht es sich weiter und schiebt jetzt Wasser im zweiten Teil des Aufbaus im Kreis herum.

Da im zweiten Teil des Systems keine Steigung für das Wasser vorhanden ist, wird keine Energie umgewandelt. In einem realen System mit Reibung wird das Rad langsamer und steht irgendwann still. In einem idealen System ohne Reibung fließt das Wasser immer weiter im Kreis und das Rad dreht sich mit konstanter Geschwindigkeit immer weiter.

Über das Schwungrad entkoppeln wir also zwei Teilsysteme. Im folgenden Beispiel wird im zweiten Teil des Aufbaus das Wasser über eine Rampe in einen Speicher gefördert. Der Speicher liegt auf einer anderen Höhe als der obere Pumpenanschluss. Im Beispiel liegt die Ausgangshöhe des Tanks oberhalb der Eingangshöhe der Pumpe.

Wir betrachten wieder den Fall, dass das Schwungrad vorher über den Pumpenkreis bis auf eine bestimmte Geschwindigkeit beschleunigt worden ist. Dann schalten wir in den zweiten Bereich um. So lange das Rad noch ausreichend Schwung hat, schiebt es das Wasser die Rampe hoch in den Tank. Dabei wird kinetische Energie aus der Drehung des Rads umgewandelt in potentielle Energie, denn der Tank liegt auf größerer Höhe als das Schwungrad.

Das Rad dreht sich jetzt auch in einem idealen System immer langsamer und kommt irgendwann zum Stillstand. Anschließend fließt Wasser aus dem Speicher „rückwärts“ die Rampe herunter. Das Schwungrad beginnt sich jetzt anders herum zu drehen. Es beschleunigt so lange in die andere Richtung, bis der Speicher (Tank) leer ist. Das wollen wir natürlich vermeiden, wenn der Tank gefüllt werden soll.

In beiden Wasserkreisen gilt: Die zeitliche Änderung der Drehzahl des Wasserrads ist proportional zur Steigung des Wassers. Die Drehzahl bleibt konstant, wenn die Steigung 0 beträgt. Die Drehzahl steigt, so lange Wasser in Flussrichtung bergab fließt, und sie sinkt, so lange Wasser in Flussrichtung bergauf fließt.

Wir haben mit dem Schwungrad eine Möglichkeit in der Hand, Wasser auf eine beliebige Höhe zu bringen. Für einen kontinuierlichen Betrieb müssen wir immer wieder zwischen den beiden Bereichen umschalten. Wird das Schwungrad zu langsam, schalten wir den Pumpenkreis ein. Dann beschleunigt das Schwungrad wieder. Ist es wieder schnell genug, lassen wir es wieder einige Zeit lang Wasser in den höher gelegenen Tank schieben.

Je höher der Tank liegt, desto länger müssen die Phasen des Aufladens des Schwungrads durch die Pumpe sein und desto kürzer können die Phasen des Füllens des Tanks sein.

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