Elektrischer Strom

Betrachten wir erneut das Beispiel für Ladungstrennung aus dem Kapitel Ladung. Wird ein für Elektronen gangbarer Weg zwischen den beiden Körpern mit den getrennten Ladungen geöffnet, findet aufgrund der Spannung (und damit der Kraft auf das Elektron) ein Ladungsaustausch statt.

Das Elektron bewegt sich vom linken Körper zurück auf den rechten Körper, so wie der Stein auf den Boden fällt. Die Bewegung von Elektronen wird als elektrischer Strom i bezeichnet. Der Strom ist umso größer, je mehr Elektronen sich pro Zeit bewegen. Der mathematische Zusammenhang zwischen Strom i und Ladungsbewegung lautet:

Der elektrische Strom i wird in der SI-Einheit Ampere (A) angegeben.

Ein Hinweis zur Schreibweise: Ich habe oben für den Strom den Kleinbuchstaben i verwendet. Wir verwenden Kleinbuchstaben immer für zeitlich veränderliche Größen. Großbuchstaben zeigen an, dass die Größe über der Zeit konstant ist. Ein konstanter Strom bekommt also den Bezeichner I. Gleiches gilt für Spannungen, Ladungen, Leistungen etc.

Strom bewirkt etwas in einem elektrischen Verbraucher. Fließt Strom z. B. durch eine LED, so bringt er diese zum Leuchten. Fließt er durch einen Motor, so bringt er diesen dazu, sich zu drehen. Um etwas zu bewirken müssen wir den Strom gezielt durch einen Verbraucher fließen lassen. Dafür wird den Elektronen ein Weg für den Ladungsausgleich angeboten, der durch den jeweiligen Verbraucher führt.

Die Wirkungskette in der Elektrotechnik

Um in der Elektrotechnik etwas zu bewirken, muss zunächst Ladung getrennt werden. Dadurch stellen sich unterschiedliche Potentiale ein. Zwischen Orten unterschiedlichen Potentials ergibt sich eine Spannung als Potentialdifferenz. Anschließend wird den Ladungen ein Weg zum Ladungsausgleich angeboten, der durch den Verbraucher verläuft. Die Elektronenbewegung wird als Strom bezeichnet. Der Strom bewirkt etwas im Verbraucher.

Bereitstellung getrennter Ladungen in der Praxis

Ladungstrennung erfolgt üblicherweise in einem Kraftwerk. In Kohlekraftwerken wird Kohle verbrannt, es wird Dampf erzeugt, der durch eine Turbine strömt. Dies führt zu einer Drehbewegung der Turbine. Die Turbine ist über eine Achse mit einem Generator verbunden, dessen Rotor sich ebenfalls dreht. Die Drehbewegung wird im Generator in die elektrischen Größen Spannung und Strom umgewandelt. In diesem Prozess findet eine Umwandlung thermischer Energie, die bei der Verbrennung von Kohle frei wird, in kinetische Energie des Dampfes statt. Diese wird in der Turbine in kinetische Energie der Drehbewegung umgewandelt. Der Generator wandelt die kinetische Energie in elektrische Energie.

In einem Windrad dreht der Wind die Flügel und damit die daran befestigte Achse. Auf der Achse ist der Generator befestigt, der Spannung und Strom erzeugt. Spannung und Strom landen über Kabel vom Kraftwerk aus an den Steckdosen und sind dort für uns verfügbar. Die kinetische Energie des Winds wird im Generator in elektrische Energie umgewandelt.

Andere Kraftwerkstypen wie Wasserkraftwerke oder Biomasse-Anlagen verwenden andere Mechanismen, um die Achse des Generators zu drehen, sonst funktionieren sie genauso. Wird die Batterie eines Smartphones aufgeladen, wird – stark vereinfacht – die an der Steckdose verfügbare getrennte Ladung in die Kammern der Batterie umgeleitet.

Einfacher Stromkreis

Üblicherweise trennen wir die Ladung nicht kurz bevor wir sie für den Betrieb von Verbrauchern benötigen. Wir nutzen Speicher für getrennte Ladungen wie z. B. Batterien. In einer Batterie befinden vereinfacht gesagt sich zwei getrennte Kammern. Die eine weist Elektronenmangel (+), die andere Elektronenüberschuss (-) auf. In einer Taschenlampe wird eine Batterie über Kabel mit einer LED verbunden.

Die Elektronen aus der Kammer mit dem Elektronenüberschuss fließen in Richtung der roten Pfeile durch die Kabel durch die LED hindurch in die Kammer mit dem Elektronenmangel. Diese Elektronenbewegung bringt die LED zum Leuchten. Dies geschieht so lange, bis die Batterie leer ist. Dann hat zwischen den beiden Kammern ein vollständiger Ladungsausgleich stattgefunden. Der Schalter der Taschenlampe unterbricht den Weg für die Elektronen zwischen den beiden Kammern, so dass die LED nur bei Bedarf leuchtet.

Technische Stromrichtung

In der Elektrotechnik gibt es zwischen den Richtungen von Spannung und Strom ein Vorzeichenproblem. Eine Spannung ist positiv, wenn sie (bzw. der Pfeil in der Darstellung der Spannung) vom positiven Potential mit Elektronenmangel zum negativen Potential mit Elektronenüberschuss zeigt. Der Stromfluss negativ geladener Elektronen erfolgt aber vom negativen Potential zum positiven Potential. In Metallen bewegen sich immer die negativ geladenen Elektronen, weil die positiven Protonen ortsfest sind. Das ist in etwa so, als ob ein Stein vom Fußboden an die Decke fällt. Dies Richtung des Stromflusses wird als „physikalische Stromrichtung“ bezeichnet.

Um dieses Problem zu beheben, wird das Vorzeichen des Stroms in der Elektrotechnik per Konvention umgedreht. Damit die anschauliche Beschreibung der Bewegung von Ladungen weiter funktioniert, wird festgelegt, dass es nur positive Ladungsträger gibt. Gedanklich entfernen wir uns damit von Elektronen und Protonen, denn die neue Art der Beschreibung hilft bei den folgenden Problemen besser.

Es gibt stattdessen nur noch positive Ladungen und damit nur noch positive Potentiale. Damit sind wir auch näher an der Analogie der Höhe über dem Erdmittelpunkt, denn die ist auch immer nur positiv. An einem hohen positiven Potential liegen viele (positive) Ladungen vor, an einem weniger hohen Potential liegen wenige (positive) Ladungen vor. Da wir den Nullpunkt für die Potentiale aber sowieso irgendwo hinlegen wo er uns passt, gibt es bezogen auf den Nullpunkt weiter auch negative Potentiale. Die Höhe des Kellers ist für uns immer noch negativ, wenn wir sie auf die Höhe des Fußbodens beziehen, selbst wenn bezogen auf den Erdmittelpunkt der Keller eine positive Höhe aufweist.

Die Spannung zwischen den Potentialen kann – je nach Festlegung der Richtung– auch weiterhin positiv oder negativ sein. Für die Spannungen ändert sich also nichts. Der Strom positiver Ladungen fließt aber jetzt vom größeren Potential zum kleineren Potential, der Stein fällt im Gedankenmodell wieder nach unten. Diese Richtung des Stroms wird als technische Stromrichtung bezeichnet.

Aus Sicht der Physik ist diese Änderung der Modellierung des Verhaltens von Ladungen natürlich falsch. Da die neue Modellierung für die Berechnung und die Beschreibung elektrischer Probleme und Lösungen viele Vorteile und vor allem eine mathematische Vereinfachung bringt, wird sie dennoch weltweit eingesetzt.

Mit technischer Stromrichtung sieht das Beispiel der Taschenlampe folgendermaßen aus:

Ab jetzt gelten in diesem Text also folgende Änderungen zur bisherigen physikalischen Beschreibung:

– Alle beweglichen Ladungen sind positiv

– Alle Potentiale sind positiv

– Der Strom fließt vom höheren Potential (+) zum niedrigeren Potential (-)

Stromdichte

Es kann nicht beliebig viel Strom durch eine Leitung fließen. Der Strom erwärmt die Leitung. Bei zu starker Erwärmung wird die Leitung beschädigt oder sogar zerstört. Aus diesem Grund werden z. B. für Überlandleitungen sehr dicke Leitungen (mit hoher Querschnittfläche) genutzt. Beim Laden eines Smartphones fließt deutlich weniger Strom, deshalb genügt hier ein dünneres Kabel. Da beim Auslegen einer Leitung die Stärke des Stroms auf den Kabelquerschnitt bezogen wird, wird eine neue Größe eingeführt, die bei dieser Berechnung hilfreich ist: Die Stromdichte. Die Stromdichte J teilt die Stromstärke durch die Fläche, durch die der Strom fließt. Es gilt:

Strom in Kabeln

Wenn man Schaltungen aufbaut, in denen Strom fließt, werden die Komponenten der Schaltung oft mit Kabeln verbunden. Die notwendige Dicke der Kabel kann zur Vereinfachung aus Tabellen entnommen werden (z. B. DIN VDE 0298-4; 2003-08 Tabelle 11).

Übliche Kabel bestehen aus einem Kupferdraht und einem isolierenden Mantel, der sicherstellt, dass der Strom nur durch das Kabel fließt und nicht – sofern das Kabel einen Körper berührt – in diesen Körper abfließen kann. Der Kupferdraht leitet Strom gut, der Mantel gar nicht.

Weiterführende Informationen

Frustfrei Lernen Strom
Frustfrei Lernen Ladung
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